In einem Beitrag in der Lokalzeit über mich letztes Jahr nannte die Journalistin den Namen, den ich bei meiner Geburt bekam, und bezeichnete mich im damaligen Familienkontext als Tochter.
Lange Zeit wäre das für mich gar nicht in Ordnung gewesen. Es war so schwer, in der Gesellschaft als der sichtbar zu werden, als der ich mich schon immer gefühlt habe. Jedes Mal, wenn ein Mensch aus meinem Umfeld meinen alten Namen nannte, gab mir das einen Stich. Mich als Tochter zu bezeichnen hätte mich zutiefst getroffen.
Andersherum erfüllte es mich jedes Mal mit Glück, wenn mein neuer, mein richtiger Name benutzt wurde, und nach und nach fand ich einen Freund*innenkreis, in dem ich gesehen und als trans* Person akzeptiert wurde. Dank eines gesellschaftstauglichen Passings genoss ich es sehr, in der Öffentlichkeit als Mann gelesen zu werden. Irgendwann wurde das normal und mein alter Name und meine Vergangenheit traten in den Hintergrund.
Das verschaffte mir nach jahrelangem Spießrutenlauf erstmal große Erleichterung und die Möglichkeit, mich auf andere Bereiche meines Lebens zu konzentrieren.
Meine Welt und die der anderen
Ich kann jede trans* Person aus tiefstem Herzen verstehen, die nicht zurückblicken und den alten Namen, den „Deadname“, zurücklassen möchte. Ich teile mit vielen das Gefühl, dass wir sowieso schon zu viel Zeit unseres Lebens verlieren, weil wir uns das richtige Leben gegen so viele Widerstände überhaupt erstmal erkämpfen müssen.
Irgendwann hatte ich jedoch das Bedürfnis wieder zu dem Kind zu schauen, das ich mal war und das verstärkt Aufmerksamkeit von mir einforderte. Anerkennung für sein Sein, sein Talent, seine Freude am Leben und seinen Schmerz darin.
Dieses Kind hatte eine lebendige Fantasie, sah sich in dieser selbst als männlicher Held und hat sich selbst viele Namen gegeben. Nichts davon trat in Berührung mit der Außenwelt. Die Verbindung zu diesem Kind mit den vielen Namen habe ich nie verloren.
In dieser „realen“ Welt sah dieses Kind jedoch aus wie ein Mädchen in der damaligen Vorstellung auszusehen hatte. Es tat, was Mädchen tun durften (und vielleicht auch manchmal Sachen, die Mädchen nicht tun durften). Und es hatte nur einen Namen: Heike. Und Eltern, die es als Tochter sahen und einen Bruder, für den es die Schwester war.
Heike und ich
Wenn die Journalistin in dem Bericht also von Heike und von Tochter spricht, dann beschreibt sie für mich die damaligen Außenwahrnehmung und das ist für mich stimmig.
Ich habe lange mit meiner Vergangenheit und mit dem Namen Heike gerungen und erst in den letzten Jahren Versöhnung damit gefunden. Mittlerweile trage ich Heike im Herzen und docke an die Erfahrungen an, die sie gemacht hat. Und ich sage hier extra „sie“ und nicht „er“, weil ich nicht das Kind mit den vielen Namen meine, sondern von den Erfahrungen spreche, die dadurch bestimmt waren, dass ich als Mädchen gesehen und als solches behandelt wurde.
Meine Entscheidung
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass ich der Journalistin das OK gegeben habe, meinen alten Namen zu erwähnen. Es ist allein meine Entscheidung, ob ich das möchte oder nicht.
Mir tat es gut, Heike in mein heutiges Leben zu holen, aber das bedeutet nicht, dass es anderen trans* Personen genauso geht. Keine trans* Person ist dazu verpflichtet, ihren „Deadname“ zu nennen und sie ist ebenfalls nicht dazu verpflichtet, ihre Entscheidung diesbezüglich zu rechtfertigen.
Für mich ist es so. Für andere ist es anders. Das ist halt so!