Der erste transsexuelle Mensch, dem ich begegnet bin, war ich selbst. Mit 16 hörte ich zum ersten Mal (zumindest bewusst) das Wort „Transsexualität“ und es dauerte noch eine Zeit, bis ich diese ‚Diagnose‘ als Erklärung dafür annehmen konnte, was mit mir nicht stimmte.
Nix is klar
Und auch wenn ich jetzt ein Label hatte, war nix klar: Ich hatte viele, viele Fragen, wenig Konkretes, diffuse Bilder im Kopf und keine Vorstellung davon, was Transsexualität bedeutete. Ich kannte niemanden, der ‚so war‘ und in meinem Kopf gab es noch nicht die Begriffe, die mir später im Studium neue innere und äußere Räume eröffnen sollten: Gender, Transidentität, Intersexualität, Drag Queens, Drag Kings, Cross Dressing usw.
Googeln wäre praktisch gewesen, aber: ES GAB NOCH KEIN INTERNET! Keine Websites, keine facebook-Gruppen, über die ich mich hätte informieren und vernetzen können. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir das damals überhaupt gemacht haben!
Die Fachliteratur beschränkte sich auf zwei medizinische Bücher und ab und an gab es mal eine Daily-Soap oder eine Reality-Talkshow, in der das Thema aufgegriffen wurde. Das war dann alles immer sehr tragisch, mit verzweifelten Szenen, Tränen und Selbstmordgedanken. Alles also eher Beweise für meine deprimierende Existenz.
So viele Fragen
Warum ich das erzähle? Weil mir auf meinem Weg von Frau zu Mann viele Menschen mit vielen Fragen begegnet sind. Ich kann die Fragen verstehen, denn ich hatte (und habe) selbst auch so viele Fragen – man wird ja als transidenter Mensch nicht mit integriertem Trans-Fachwissen geboren (hach, wenn es doch schon INTERNET gegeben hätte!).
Ich habe dann im Laufe meiner Angleichung Antworten gefunden und in den letzten Jahren wurde ich zu einer Person, der man Fragen stellen kann. Ich habe meine Transidentität nicht verheimlicht, ich bin offen für Gespräche und dafür, Antworten zu geben. Ehrlich gesagt sind mir neugierige Menschen sehr viel lieber, als diejenigen, die sich nicht trauen, Fragen zu stellen.
Hast du einen … ähem …
Manchmal allerdings kommt es mir so vor, als würden allgemein gültige Umgangsformen außer Kraft gesetzt, wenn mein Gegenüber erfährt, dass ich „früher mal eine Frau“ war. Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich (mal mehr, mal weniger verklemmt) gefragt wurde, ob ich einen Penis habe. Und das selbst dann, wenn wir uns gerade mal eine Stunde kannten.
Ehrlich, es würde mir nie in den Sinn kommen, jemanden, den ich gerade kennengelernt habe, nach seinen Geschlechtsteilen zu fragen! Ich habe mir irgendwann die Freiheit herausgenommen, meinerseits die Frage nach den Genitalien meines Gegenübers zu stellen und dann ist meistens Ruhe im Karton ;-)
Im Ernst, ich kann verstehen, dass die Neugier gerade mit Blick auf die körperlichen Veränderungen groß ist und diese Frage im Raum steht. Manchmal würde ich mir aber ein bisschen mehr Taktgefühl wünschen.
Schwule und Straftäter
Übrigens habe ich auch einige Begegnungen mit Ärzten gehabt, bei denen besagtes Taktgefühl auf der Strecke blieb. In einer Arztpraxis für Allgemeinmedizin wollte ich noch relativ am Anfang meiner Transition von der Ärztin wissen, ob es bei ihr oder ihrem Team Vorbehalte gegen meine Transidentität gäbe. Daraufhin versicherte sie mir mit Nachdruck und eifrigem Kopfschütteln: „Nein, nein, ganz und gar nicht! Wir behandeln hier auch Schwule und Straftäter!“ Na denn ;-)