„Warum erzählst du denn überhaupt, dass du früher mal eine Frau warst? Das ist doch deine Privatsache. Das muss doch keiner wissen!“ Mit dieser Reaktion sah ich mich immer wieder konfrontiert, wenn ich erzählte, dass ich ein Kapitel über meine Vergangenheit als Mädchen in meine Singer-Songwriter-Biografie integrieren wollte.
„Stimmt“, dachte ich dann und schämte mich, dass ich der Welt sowas Intimes wie meine Transidentität aufdrängen wollte. „Das geht ja nun niemanden was an.“ Oder auch: „Damit muss man nun echt niemanden belästigen!“
Und noch vor 10 Jahren wäre ich auch überhaupt nicht auf die Idee gekommen, meine Transidentität öffentlich zu machen. Ich hatte schließlich lange genug und durchaus mit vielen Tränen daran gearbeitet, dass die Welt mich als Mann sieht.
Endlich Mann sein! Oder doch nicht?
Und was war das für ein Glücksgefühl! Endlich Mann sein! Durch die Straßen gehen, ohne komische Blicke im Nacken zu spüren. In einer öffentlichen Toilette sein, ohne dass Menschen bei meinem Anblick erschrocken wieder rausrennen, nur um dann irritiert wieder reinzukommen („War doch die richtige Tür, aber was macht die Frau/der Mann hier?“). Keine Angst mehr vorm Sommer, vor engen T-Shirts, vorm Schwimmen. Einfach das Leben genießen! Als Mann. Endlich, endlich, endlich.
Woher also verdammt nochmal kommt dann dieser Drang, mein so wunderbar normales und repräsentatives Leben als Mann zu unterwandern und allen, die es gar nicht hören wollen, zu erzählen, dass ich nicht als kleiner Junge, sondern als kleines Mädchen auf die Welt kam? Wieso das Passing zerstören, für das ich mich so abgerackert habe? Geht doch niemanden was an. Ist doch privat.
Und dann denk ich so: Ob jemand Mann oder Frau ist, geht natürlich niemanden was an, weiß aber trotzdem jeder. Wenn wir auf einer Party, sagen wir mal, einem Markus neu begegnen, denken wir nicht: „Das ist Markus. Der Markus ist ein Mann.“ Und Markus stellt sich in der Regel wohl auch nicht vor mit „Ich bin Markus. Ich bin ein Mann.“ Später könnten wir aber erzählen: „Ich hab da diesen Mann (oder Typ oder Kerl) kennengelernt.“ Markus Geschlechtsidentität ist also ziemlich öffentlich. Wenn Markus selbst damit happy ist, ein Mann zu sein, passt ja alles.
Meine Geschlechtsidentität jedoch ist: PRIVAT oder zumindest nur teilweise öffentlichkeitstauglich. Ich bin ein Mann. Soweit ok. Und: Ich bin ein Mann, der als Mädchen geboren wurde. Ein Mann der als Teenie mit vielen anderen Mädchen (und wenigen Jungs) auf dem Ponyhof war. Ein Mann, der Röcke trug. Ein Mann, der Mutter hätte werden können und niemals Vater werden wird. Ein Mann, der immer auch die Frau in sich spürt, die er hätte sein können. Ein Transmann.
„Für mich bist du ein Mann. Dass du früher mal ein Mädchen warst, geht doch niemanden etwas an“, höre ich sie sagen. Stimmt: Es besteht kein Geständniszwang und niemand soll gezwungen werden, Details über sein Leben zu erzählen, egal um was für Details genau es sich handelt.
Nur die halbe Wahrheit
Ich erinnere mich sehr gut, wie erleichtert ich war, als ich endlich öffentlich in die für mich stimmigere Geschlechterkategorie eingeordnet wurde. Endlich als Mann wahrgenommen zu werden, war wunderbar. Mehr noch, ich war außer mir vor Glück! Ich kann alle verstehen, die ihre Transidentität für sich als privat deklarieren und nicht im Traum daran denken, ihr Passing als Mann oder Frau zu dekonstruieren.
Ich spüre jedoch seit einiger Zeit, dass „Mann“ für mich nur die halbe Wahrheit ist. Und wich wünsche mir, wie vielleicht alle andern auch, als der gesehen zu werden, der ich bin. Ich bin privat und öffentlich: Transmann.